Nachdem in den vorangegangenen Beiträgen eine Annäherung an den demografischen Wandel und seine Folgen über den Blick auf die allgemeine Entwicklung in Deutschland sowie in Sachsen-Anhalt erfolgt ist, soll nachfolgend nun auf die spezifische Situation im geografischen Projektbereich von SEVIP&V, d.h. im Landkreis Harz sowie insbesondere in dessen Kreisstadt Halberstadt (nachfolgender Beitrag) eingegangen werden.
Der Landkreis Harz, welcher im Jahr 2007 im Rahmen einer Kreisgebietsreform aus den Landkreisen Wernigerode, Halberstadt und Quedlinburg sowie aus der Stadt Falkenstein gebildet wurde, liegt im Südwesten des Bundeslandes Sachsen-Anhalt und umfasst 20 Gemeindegebiete (13 selbständige Einheitsgemeinden und eine Verbandsgemeinde mit 7 selbständigen Gemeinden) mit insgesamt 120 Ortschaften und mehr als 223.000 Einwohnern. Er grenzt an die sieben Landkreise Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt), Nordhausen (Thüringen), Börde (Sachsen-Anhalt), Helmstedt (Niedersachsen), Wolfenbüttel (Niedersachsen), Goslar (Niedersachsen) und den Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt). Die nachfolgende Tabelle gibt Gemeindestatus, Einwohnerzahl und Demografietyp laut Klassifizierung der Bertelsmann-Stiftung (soweit verfügbar) für diese 14 Einheits- bzw. Verbandsgemeinden wieder.
In die Ermittlung des Demografietyps geht eine Vielzahl wichtiger Kennzahlen zur demografischen Entwicklung ein (u.a. Bevölkerungsprognosen, Altenquotient, Jugendquotient sowie Pflegequote), so dass dessen Angabe an dieser Stelle stellvertretend für zahlreiche Faktoren stehen kann. Auf eine gesonderte Betrachtung aller 120 Ortschaften oder die Aufnahme weiterer demografischer Faktoren wurde aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit verzichtet.
Gemeindename | Gemeindestatus | Einwohner | Demografietyp |
Ballenstedt | Stadt / Einheitsgemeinde | 9.481 | 9 |
Blankenburg | Stadt / Einheitsgemeinde | 20.852 | 9 |
Falkenstein | Stadt / Einheitsgemeinde | 5.619 | 9 |
Halberstadt | Stadt / Einheitsgemeinde | 40.526 | 9 |
Harzgerode | Stadt / Einheitsgemeinde | 8.419 | nicht klass. |
Huy | Einheitsgemeinde | 7.645 | 8 |
Ilsenburg | Stadt / Einheitsgemeinde | 9.442 | 8 |
Nordharz | Einheitsgemeinde | 8.011 | nicht klass. |
Oberharz am Brocken | Stadt / Einheitsgemeinde | 11.333 | 9 |
Osterwieck | Stadt / Einheitsgemeinde | 11.538 | 8 |
Quedlinburg | Stadt / Einheitsgemeinde | 25.391 | nicht klass. |
Thale | Stadt / Einheitsgemeinde | 18.131 | 9 |
Wernigerode | Stadt / Einheitsgemeinde | 33.710 | 8 |
VG Vorharz | Verbandsgemeinde | 12.996 | nicht klass. |
Im Landkreis auftretende Demografietypen
8 – Alternde kleinere Kommune mit Anpassungsdruck
9 – Stark schrumpfende Kommune mit besonderem Anpassungsdruck
Es ist bezeichnend, dass in der Bewertung der Kommunen im Landkreis Harz durch die Bertelsmann-Stiftung lediglich noch die beiden Demografietypen 8 („alternde kleinere Kommune mit Anpassungsdruck“) und 9 („stark schrumpfende Kommune mit besonderem Anpassungsdruck“) zu finden sind. Auch der PROGNOS-Zukunftsatlas bescheinigt dem Landkreis in seiner jüngsten Ausgabe aus dem Jahr 2013 „hohe Zukunftsrisiken“ und eine „geringe Dynamik“ und ordnet ihn im Hinblick auf die Demografie auf Rang 396 von 402 sowie im Hinblick auf die Zukunftschancen auf Rang 383 von 402 Landkreisen in Deutschland ein [vgl. PROGNOS AG 2013].
Tatsächlich gehörte der Landkreis Harz bereits Anfang der 2000er Jahre zu den geburtenärmsten Landkreisen in der Bundesrepublik, wobei die Geburtenrate allein zwischen 2007 und 2010 nochmals um 9,8% zurückging [vgl. MLV 2013, S. 19]. Der Altenquotient, der im Landkreis Harz gegenwärtig bei 45,5% liegt, wird bis 2020 auf 53,7% ansteigen – und auch im Hinblick auf die Pflegequote setzt sich der Harzkreis negativ ab und liegt 16% über dem Landes- und fast 50% über dem Durchschnitt im Bund [vgl. Fischer-Hirchert 2014, S. 11]. Die sich in diesen Zahlen deutlich wiederspiegelnde Problematik wird dadurch verschärft, dass der Landkreis nach der Wende zusammen mit dem Altmarkkreis Salzwedel zunächst zu denjenigen Regionen gehört hat, deren Entwicklung im Vergleich zum Landestrend einen günstigeren Verlauf nahm, weshalb die Stabsstelle für demografische Entwicklung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr (MLV) im Harzkreis gegenwärtig eine „negative Trendwende“ sieht [vgl. MLV 2013, S. 11].
Diese Ausgangssituation macht den Landkreis Harz zu einem geradezu idealen Entwicklungs- und Versuchsfeld für neue Konzepte und Methoden zum Umgang mit den Folgen des demografischen Wandels. Dies gilt in besonderem Maße für die Stadt Oberharz am Brocken sowie die Stadt Halberstadt, da sich hier exemplarisch zwei Bedarfslagen manifestieren, die in sehr ähnlicher Form bereits in vielen Regionen Ostdeutschlands auftreten, und die sich in den kommenden Jahrzehnten auch vielfach in den alten Bundesländern zeigen werden: Eine (zwangsweise) fusionierte Einheitsgemeinde, bestehend aus zahlreichen kleineren und ehemals eigenständigen, heute stark schrumpfenden Ortschaften, in denen die Grundversorgung in der Fläche kaum noch aufrechterhalten werden kann (Oberharz am Brocken) sowie ein wirtschaftlich durchaus attraktives Mittelzentrum mit eine Reihe von raumübergreifenden Versorgungsfunktionen, in dem eine Vielzahl von (teils schmerzhaften) Anpassungen an die sich verändernden demografischen Erfordernisse vorgenommen werden muss (Halberstadt). Auf die ortsspezifischen demografischen Entwicklungen und Bedarfslagen in Halberstadt wird im nachfolgenden Blogbeitrag dann noch gesondert eingegangen.
Verwendete Quellen
[Fischer-Hirchert 2014] Fischer-Hirchert, Ulrich H.P. (2014): Demografischer Wandel im Harz. Chancen, Risiken und mögliche Strategien intelligenter Techniknutzung. GenerationenHochschule Harz. Hochschule Harz. Wernigerode, 06.05.2014.
[MLV 2013] Stabsstelle für demografische Entwicklung und Prognosen des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt (2013): Den demografischen Wandel gestalten. Berichterstattung an den Landtag von Sachsen-Anhalt. Magdeburg.
[PROGNOS AG 2013] Prognos AG (2013): Prognos Zukunftsatlas 2013 – Deutschlands Regionen im Zukunftswettbewerb. Basel.