(Pressemitteilung der Hochschule Harz)
Seit einem Jahr beschäftigt sich die an der Hochschule Harz angesiedelte Projektgruppe „LEB Wernigerode“ (Lebenslagenorientiertes Entwicklungs- und Bedarfskonzept) mit der Frage, wie sich Kommunalverwaltungen auf die zunehmende Anzahl von Berufstätigen einstellen sollen, die parallel ältere Angehörige pflegen. In Deutschland sind ca. 15 Prozent aller Beschäftigten in der Angehörigenpflege aktiv; sie wenden dafür 15 bis 35 Stunden pro Woche auf – eine Belastung, die nicht nur Probleme im Beruf, sondern auch ein erhöhtes Krankheitsrisiko zur Folge haben kann.
Gefördert vom Land Sachsen-Anhalt setzt die Stadt Wernigerode die Implementierung einer „pflegesensiblen Verwaltungskultur“ um. Im Rahmen eines gemeinsamen Transfer-Workshops mit Wissenschaftlern der Hochschule Harz wurden nun die wesentlichen Projektergebnisse im Bürgerpark vorgestellt. Das Fachpublikum umfasste rund 40 Vertreterinnen und Vertreter von Kommunal- und Landesverwaltungen, Kranken- und Pflegekassen sowie verschiedener Unternehmen.
Nachdem Thomas Schatz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Verwaltungswissenschaften, in einem Impulsvortrag die gesetzlichen Rahmenbedingungen vorgestellt hatte, präsentierte Prof. Dr. Birgit Apfelbaum, Hochschullehrerin für Kommunikations- und Sozialwissenschaften in Halberstadt, die Ergebnisse von Interviews und Workshops, die sowohl mit pflegenden Mitarbeitern der Wernigeröder Verwaltung als auch mit dortigen Führungskräften durchgeführt wurden. Dabei zeigte sich deutlich, dass der vorherrschende Wunsch pflegender Beschäftigter nicht etwa in Teilzeitregelungen und beruflichen Auszeiten besteht. Hilfreicher sei eine bessere Vereinbarkeit von Vollzeitarbeit und Pflegetätigkeit durch die Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Führungskräfte beschäftigen sich dagegen primär mit der praxistauglichen Gestaltung von Vertretungsregelungen und mit Fragen der Kompensation von nicht vorhersehbaren Arbeitsausfällen. „Um die Familienfreundlichkeit der Verwaltung zu steigern“, so das Fazit der Professorin, „müssen Aspekte der Verwaltungskultur und -organisation in einem koordinierten Prozess verändert werden.“
In einem dritten Vortrag umriss Wernigerodes Hauptamtsleiter Rüdiger Dorff die Maßnahmen, die durch die Stadtverwaltung auf Basis der LEB-Empfehlungen bereits umgesetzt wurden oder noch geplant sind. So sollen sich die Mitarbeiter der Stadt im verwaltungseigenen Intranet über ihre Rechte als pflegende Angehörige informieren können und nach der Benennung einer sogenannten „Pflegepilotin“ eine verwaltungsinterne Ansprechpartnerin haben.
Dorff betonte, dass die Verwaltung die personellen sowie die zeitlichen Investitionen in die Pflegesensibilität nicht nur als Element der Fachkräftesicherung, sondern auch als ein Instrument zur Verringerung krankheitsbedingter Ausfälle betrachte: „Eine dauerhafte Überforderung durch Doppelbelastungen im Berufs- sowie Privatleben führt in vielen Fällen schleichend zu Dauererkrankungen, welche nicht nur das Wohl unserer Beschäftigten, sondern auch die Fähigkeit der Verwaltung gefährden, ihren Aufgaben angemessen gerecht zu werden. Die Deeskalation von Überlastungssituationen ist daher stets im Sinne aller.“
In der abschließenden Diskussionsrunde wurde erneut deutlich, dass ein erster wichtiger Schritt hin zu einer „pflegesensiblen Verwaltung“ in der Ansprache der Führungskräfte sowie in der Schaffung eines Arbeitsklimas besteht, in dem möglichst offen über Belastungen gesprochen werden kann. Zwischen den Gleichstellungsbeauftragten und Personalverantwortlichen der Kommunen, der „Pflegepilotin“ der Stadt Wernigerode sowie dem LEB-Team an der Hochschule Harz wurde weiterführender fachlicher Austausch vereinbart.